Was macht die A330 MRTT so besonders? Von bahnbrechenden Innovationen bei der Luftbetankung, bis hin zu Dual-Use-Technologien - das Flugzeug leistet einen wichtigen Beitrag zur strategische Autonomie ihrer Betreiber.

Vor mehr als 100 Jahren führten zwei Doppeldecker vom Typ DH-4B der US-Luftwaffe die erste erfolgreiche Luftbetankung durch. Nach Angaben von Luftfahrthistorikern mussten die beiden Piloten, Lieutenant Virgil Hine und Lieutenant Frank W. Seifert, während des Formationsfluges einen 15 Meter langen Schlauch manuell aus dem Tankflugzeug ablassen - ein unglaublich riskantes Manöver. Währenddessen gelang es Captain Lowell H. Smith und Lieutenant John P. Richter im Empfängerflugzeug, den Schlauch zu fangen und anzuschließen.

Von den Pionierflügen im Jahr 1923 bis heute hat sich viel getan.

Aus den Hunderten von Litern Treibstoff, die bei den ersten Luftbetankungen umgeschlagen wurden, machen heute ein ausgeklügeltes Auslegersystem Treibstoffströme von bis zu 4.500 Litern pro Minute möglich. Mit der Airbus A330 MRTT hat Europa die Technologieführerschaft in einem Markt übernommen, der bis Ende der 2000er Jahre von US-Herstellern dominiert wurde. Das Tankflugzeug kann 25 verschiedene Empfängerflugzeuge betanken.

Das Flugzeug, das jeden Winkel der Welt erreicht

Die Luftbetankung hat es Luftstreitkräften ermöglicht, ihre Reichweite zu vergrößern und ihre strategischen Fähigkeiten zu verbessern. Heute unterstützt die A330 MRTT wichtige Missionen wie den Truppen- und Frachttransport sowie medizinische Evakuierungen und humanitäre Einsätze.

A330 MRTT - A400M - Rafale

Auf den Schultern von Riesen

„Zwei Flugzeuge, die in einer Höhe von 20.000 oder sogar 30.000 Fuß mit einer Geschwindigkeit von etwa 800 km/h fliegen und sich einander nähern, bis sie nur noch etwa 20 Meter voneinander entfernt sind, wenn der Ausleger oder die Schläuche ausgefahren und dann physisch verbunden werden ... Die Luftbetankung ist eine erstaunliche Meisterleistung der Luftfahrt. Technologisch sind wir sehr weit gekommen“, sagt Juan Cabrera García, Flugtestingenieur und Testpilot für die  Luftbetankung bei Airbus Defence and Space.

Juan Cabrera

Die Entwicklung des Auslegersystems für die A330 MRTT, das von einer speziellen Konsole hinter dem Piloten im Cockpit aus bedient wird, war von entscheidender Bedeutung für das Programm. „Vor 20 Jahren hatten wir bei Airbus noch keinerlei Erfahrung mit der Luftbetankung mit einem Ausleger. Seit der ersten experimentellen Luftbetankung unseres Unternehmens im Jahr 2007 haben wir den ersten rein elektrischen Ausleger und das erste hochauflösende Remote-Vision-System in 3D entwickelt, das seitdem den Maßstab für visuelle Systeme setzt", sagt Cabrera.

Dieses Kamerasystem wurde kürzlich mit der neuesten Sensortechnologie für Tankschlauch- und Auslegeroperationen aufgerüstet, einschließlich der Möglichkeit verdeckter Operationen für erstere. „Dadurch können Nachtbetankungsoperationen ohne externe Beleuchtung durchgeführt werden. Der Empfänger kann die Operation mit einem Nachtsichtgerät durchführen“, sagt Cabrera. „Dadurch ist die MRTT am Himmel nur schwer erkennbar.“

Maria Angeles Marti

„Mit der A330 MRTT stehen wir wahrhaftig auf den Schultern von Riesen. Alles begann vor 20 Jahren, als eine Gruppe mutiger und talentierter Menschen das erste Luftbetankungssystem in der Geschichte von Airbus entwickelte - in einer Zeit, wo es nur einen einzigen Anbieter gab. Nur wenige hätten sich vorstellen können, dass die A330 MRTT zum weltweit führenden Tankflugzeug werden würde.“ María Ángeles Martí, Leiterin des Bereichs Tankflugzeuge und Derivate bei Airbus Defence and Space

A330 MRTT Spanish Air Force Eurofighter Refuelling

Die Airbus A330 MRTT kann andere Flugzeuge mit einem Tankschlauch und Fangtrichter (hier beim Betanken des Eurofighters zu sehen) oder dem Ausleger-Betankungssystem betanken. Die Rumpfbetankungseinheit ist für große Flugzeuge wie die A400M ausgelegt.

Führende Innovation mit automatischer Luft-Luft-Betankung

Cabrera war von Anfang an beteiligt, als es um die Entwicklung und Zertifizierung der weltweit ersten automatischen Luft-Luft-Betankung (A3R) mit einem Auslegersystem im Jahr 2022 ging. „Die Luftbetankung mit einem Tankflugzeug begann in den 1960er Jahren und ist seit Jahrzehnten mehr oder weniger gleich geblieben. Alle Phasen der Betankung mussten vorrangig manuell durchgeführt werden, ohne oder mit nur minimaler Automatisierung. Mit der A330 MRTT ist es uns gelungen, die kritischsten und wichtigsten Phasen zu automatisieren“, erklärt er.

Durch die Automatisierung eines komplexen Vorgangs wie der Betankung werden Risikofaktoren wie die Ermüdung oder Stress des Operators oder Turbulenzen im Flug abgefedert „Das A3R-System arbeitet immer auf dem gleichen Niveau und erhöht die Sicherheit. Es übertrifft die Leistung des durchschnittlichen manuellen Betriebs“, sagt Cabrera und fügt hinzu, dass die Ingenieurteams von Airbus bereits daran arbeiten, automatische Funktionen für Schlauch- und Fangtrichteroperationen hinzuzufügen. Das Ziel ist die Entwicklung einer vollständig autonomen [A4R] Fähigkeit, die bereits im Flug demonstriert wurde.

A3R Certification
A3R Night Certification

Im März 2025 schloss Airbus die Zertifizierungstests für die automatische Nachtflugfähigkeit des A330 MRTT ab. Eine abschließende Demonstration der Kompatibilität mit den Empfängern der Singapore Air Force wird in diesem Frühjahr stattfinden, der letzte Schritt vor der Zertifizierung.

Zivil und militärisch: die Bedeutung von Dual-Use-Technologien 

Innovationen treiben uns an und machen deutlich, wie Dual-Use-Technologien eine nahtlose Brücke zwischen dem zivilen und dem militärischen Einsatz schlagen. Diese Dualität war auch zentral für den Erfolg der A330 MRTT, die außerhalb der USA inzwischen einen Marktanteil von über 90 % erreicht hat.

Das Flugzeug wird von zehn Betreibern und 15 Nationen geflogen: Australien, Frankreich, die multinationale MRTT-Flotte der NATO (Deutschland, Niederlande, Luxemburg, Norwegen, Belgien, Tschechische Republik), Saudi-Arabien, Singapur, Südkorea, die Vereinigten Arabischen Emirate, das Vereinigte Königreich, Spanien und Kanada, die bereits eine A330-200 betreiben, die zu einem Tankflugzeug umgebaut werden soll.

„Dieses Programm ist ein hervorragendes Beispiel für die Anpassung eines zivilen Flugzeugs für Verteidigungsaufgaben.”
Guillaume Duchemin, Leiter militärische Derivate bei Airbus Commercial Aircraft.
 

Die A330 wurde ursprünglich als Verkehrsflugzeug konzipiert und ist ein zweimotoriges Flugzeug, das von Fluggesellschaften auf der ganzen Welt geflogen wird und für das bisher mehr als 1.800 Bestellungen eingegangen sind.

Nach einem neunmonatigen Umrüstungsprozess in den Airbus-Werken in Getafe, Spanien, bei dem etwa 50.000 Modifikationen am Flugzeug vorgenommen und 100.000 Arbeitsstunden geleistet wurden, wird die A330 in das Mehrzweck-Transportflugzeug umgewandelt. „Die A330 MRTT symbolisiert, was ein Unternehmen erreichen kann, wenn es die Synergien zwischen seinen Geschäftsbereichen nutzt“, sagt Duchemin.

Die nächste große Weiterentwicklung wird die A330 MRTT+ sein, bei der das A330-200-Basisflugzeug durch die A330neo (A330-800) ersetzt wird. Dadurch wird der Treibstoffverbrauch des Flugzeugs gesenkt und die Reichweite erhöht. Darüber hinaus arbeitet Airbus an der Verbesserung von Komponenten für den elektronischen Kampf sowie der Vernetzung.

Langfristig besteht das Ziel darin, die militärischen Einsatzmöglichkeiten des Flugzeugs zu erweitern. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Umrüstungsprozess der A330 MRTT werden für neue militärische Derivate, von großem Wert sein. Hierbei geht es beispielsweise um eine militärische Version der A321XLR für die Patrouille auf hoher See. „Sowohl die Teams für den zivilen als auch für den militärischen Bereich sind gleichermaßen bestrebt, das Produkt weiterzuentwickeln. Gemeinsam blicken wir einer vielversprechenden Zukunft entgegen“, so Guillaume Duchemin abschließend.

A321XLR maritime patrol

Im Februar 2025 hat die französische Beschaffungsbehörde für Verteidigungsgüter (Direction Générale de l'Armement) einen Vertrag mit Airbus Defence and Space als Hauptauftragnehmer in Zusammenarbeit mit Thales unterzeichnet. Dieser sieht eine Risikobewertungsstudie für das künftige Programm für Seefernaufklärer vor, das auf dem Airbus A321XLR basieren soll.